Durch gezielte Informationen werden die Eltern an einer klassenübergreifenden, mehrsprachigen Informationsveranstaltung in das Schweizer Schulsystem und die Werte und Haltungen der lokalen Schule eingeführt. Das Beispiel beschreibt, wie es gelingen kann, dass die meisten Eltern den Inhalten ohne Sprachhindernisse folgen können.

Text: Miriam Aegerter und Jeannine Burri
Empfohlen für Zyklus 1, 2 und 3

Beschreibung der Idee

Die Idee einer mehrsprachigen, klassenübergreifenden Informationsveranstaltung setzte die Schule Walchwil, eine Schule mit einer sprachlich sehr diversen Elternschaft, praktisch um.
 

„Entstanden ist die Idee aus dem Team heraus“, erklärt Jeannine Burri, die als Teil der Schulleitung für die Schulentwicklung zuständig ist. „In einer Evaluation hat sich herausgestellt, dass es für Lehrpersonen belastend ist, immer wieder Ähnliches zu erklären. Wie funktioniert das Schweizer Schulsystem? Welche Wertehaltungen gelten an unserer Schule? Was ist die Rolle einer Kindergartenlehrperson? Gerade bei dieser Frage gehen die Vorstellungen der Eltern oftmals weit auseinander. Da ist Klärung nötig und wichtig und kann die Lehrpersonen entlasten“, so Jeannine Burri. 
 

Wenn es darum geht den Eltern und Erziehungsberechtigten gezielte Informationen und Möglichkeiten im Bildungssystem aufzuzeigen, kann es hilfreich sein, einer solchen Informationsvermittlung einen hochoffiziellen Rahmen zu geben, etwa als klassenübergreifende, mehrsprachige Informationsveranstaltung.(1) Wichtig ist, dass verschiedenste Akteure präsent sind, so beispielsweise die Schulleitung und weitere involvierte (Fach-)Lehrpersonen. Neben schriftlichen Informationen, ist gerade auch der persönliche, mündliche (Informations-)Austausch von grosser Bedeutung.
 

«In der Praxis erweist es sich als zielführend, bei Eltern mit Migrationshintergrund vielfältige Kommunikationskanäle und Kontaktmöglichkeiten zu nutzen. […] Moret und Fibbi (2010) haben nachgewiesen, dass bei Familien mit Migrationsgeschichte insbesondere eine mündliche und von einer Vertrauensperson persönlich überbrachte Mitteilung oft mehr Wirkung zeigt als unpersönlich wahrgenommene Informationen in schriftlicher Form. Dies gilt unabhängig von deren Qualität» (2).
 

Zurück zum Beispiel der Schule Walchwil. Nach einer Begrüssung in mehreren Sprachen durch den Schulpräsidenten und einigen einführenden Worten des Rektors zu den Werten und Haltungen der Schule, hielten die beiden Schulleiter einen zweisprachigen (in diesem Falle deutschen und englischen) Input. Sie stellten anhand von Beispielen und mit Bildern illustriert die Schule mit ihren vielfältigen Facetten, angebunden an das Schulprofil, vor. 

Auszug aus dem Input der beiden Schulleiter. Aufnahme Miriam Aegerter
Auszug aus dem Input der beiden Schulleiter. Aufnahme Miriam Aegerter

Im Anschluss sprach Schulentwicklerin Jeannine Burri in einem kurzen Referat über die Rolle der Eltern als Lernbegleiter, ebenfalls bilingual. Mit zahlreichen Zitaten und Hintergrundinformationen informierte sie die Eltern über die Wichtigkeit ihrer Rolle und die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus.

Nach den beiden Inputs erhielten die Eltern die Möglichkeit sich an verschiedenen im Saal vorbereiteten Informationsständen mit Fachpersonen und weiteren Eltern auszutauschen und sich gezielt zu informieren.

Zwei Lehrpersonen erklärten das Schweizer Schulsystem, Lehrpersonen der besonderen Förderung stellten die Förderangebote wie Schulische Heilpädagogik oder Logopädie vor, das Angebot von Deutsch als Zweitsprache wurde erläutert und sowohl der Lernort Kindergarten als auch die Oberstufe inklusive Berufswahl thematisiert.

Auszug aus dem Input „Rolle der Eltern als Lernbegleiter“. Aufnahme Miriam Aegerter
Auszug aus dem Input „Rolle der Eltern als Lernbegleiter“. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Schulische Heilpädagogik und Logopädie. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Schulische Heilpädagogik und Logopädie. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Kindergarten. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Kindergarten. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Schweizer Schulsystem. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Schweizer Schulsystem. Aufnahme Miriam Aegerter

Als weitere Angebote waren auch die Schulergänzende Betreuung und eine Vertretung der Eltern-Lehrpersonen-Gruppe mit einem Infostand vor Ort und an einer weiteren Infotafel präsentierten sich die lokalen Vereine.

Informationsstand Schulergänzende Betreuung. Aufnahme Miriam Aegerter
Informationsstand Schulergänzende Betreuung. Aufnahme Miriam Aegerter

So kann es gelingen

Gemeinsame Entwicklung und Commitment

Es ist lohnend, Lehrpersonen von Anfang an in die Planung eines solchen Vorhabens zu involvieren und den Anlass gemeinsam mit der Schulleitung zu entwickeln und durchzuführen. Alle Beteiligten sollten hinter dem Format stehen und dieses so entwickeln, dass die Eltern abgeholt werden können. Weiter ist es hilfreich zu definieren, in welcher Regelmässigkeit eine solche Informationsveranstaltung durchgeführt wird, was vermutlich je nach Grösse der Schule variiert. Im Falle des erwähnten Beispiels in Walchwil ist geplant, dass die die Veranstaltung in regelmässigen Abständen durchgeführt werden soll.

Rahmen und Einladung

Ein hochoffizieller Rahmen sowie eine gute Kommunikation sind wichtige Punkte für das Gelingen. Wenn die Eltern verstehen, dass die Einladung von der Schule kommt (mit offiziellem Logo der Schule auf der Einladung) und auch die Schulleitung oder gar das Schulpräsidium involviert ist, wird der Einladung mit grosser Wahrscheinlichkeit Folge geleistet. Die Einladung muss aber auch sprachlich verständlich sein und daher ist es hilfreich, wenn die Einladung in mehreren Sprachen vorhanden ist und verteilt wird. Zudem könnte in der Einladung bereits stehen, dass der Anlass übersetzt wird. Neben der schriftlichen Ankündigung ist oftmals auch die direkte mündliche Einladung eine passende Form, um Eltern für eine Teilnahme zu gewinnen. So könnte mit einzelnen Eltern gezielt das Gespräch gesucht werden. Last but not least ist es wichtig den Anlass so anzusetzen, dass zeitlich möglichst viele Eltern teilnehmen können.

Sprache(n)

Die gesamte Veranstaltung sollte in Standardsprache gehalten und idealerweise mit weiteren Sprachen ergänzt werden. Die einführende Frage „Chan ich Schwiizerdütsch rede?“ ist – insbesondere in diesem Rahmen – verfänglich. In einem grossen Kreis von (meist) wenig bekannten Personen braucht es ein sehr grosses Selbstvertrauen, um diese Frage zu verneinen und die Standardsprache zu verlangen. Zudem empfiehlt es sich, klar, langsam und deutlich zu sprechen und genügend Pausen zu machen, so dass das Gesagte übersetzt werden kann. Die Organisation in Sprachgruppen mit Dolmetschenden oder in Murmelgruppen, kann sinnvoll sein. Idealerweise wird eine Atmosphäre geschaffen, in welcher die verschiedenen Erstsprachen, die in den Familien gesprochen werden, Wertschätzung erfahren.

Strukturierung, Visualisierung, Durchführung

Der Anlass muss klar strukturiert sein. Es hat sich an mehreren Schulen bewährt die Veranstaltung in einen Informationsteil, einen pädagogischen Teil und einen etwas weniger formellen Austauschteil, beispielsweise mit Informationsständen, zu gliedern.
 

Bei einer Präsentation ist es hilfreich, wenn wichtige Stichworte oder Kapitelüberschriften während des ganzen Referats stehen gelassen werden. Eine Visualisierung des Gesagten mittels Bilder, Merksätzen oder Schemata kann dienlich sein. Als visuelle Hilfsmittel eignen sich digitale Präsentationen (z.B. Power Point), Bilder oder auch (mehrsprachige) ausgedruckte Unterlagen. Wichtige Informationen und Unterlagen könnten den Eltern auch bereits vor dem Elternabend abgegeben werden, idealerweise mehrsprachig. Nach dem Referat kann das Gesagte in kleinen Sprachgruppen (in Deutsch, Schweizerdeutsch und anderen Erstsprachen der Eltern) nachbesprochen und diskutiert werden.
 

Zentral ist, dass insgesamt genügend Zeit (auch für Fragen) eingeplant wird. Ein mehrsprachiger Informationsanlass braucht – gerade wegen den Übersetzungen – mehr Zeit.  Oft getrauen sich Eltern nicht, ihre Fragen im Plenum zu stellen. Darum ist es lohnend, den Eltern anzubieten, dass sie allfällige Fragen auch nachträglich (z.B. im Anschluss an die Veranstaltung, telefonisch oder mündlich in einem vereinbarten Gespräch) stellen können.

  1. [1] Vgl. Mantel et al., 2019, S. 174.

    [2]Kosorok Labhart et al., 2021, S. 119.

Materialien und Links

Interkulturelle Elternzusammenarbeit: Erfolgreiche Gestaltung von Elterngesprächen und Elternabenden (Interpret)

Das Publikum ist sprachlich stark gemischt – Tipps für Veranstaltungen (VSA Zürich)

Einladungsflyer Schule Walchwil

Informationen zum Schweizer Bildungssystem in Ukrainisch/Deutsch und Russisch/Deutsch, insbesondere für geflüchtete Familien, herausgegeben vom Institut für Bildungswissenschaften (IWB) der Universität Basel und der FHNW.

Verwendete Literatur

Kosorok, Labhart, C., Luginbühl, D. & Schöllhorn, A. (2021). Von Eltern mit Migrationshintergrund lernen. Denkanstösse für die kultursensible Praxis in Spielgruppe, Kita und Schule. Bern: hep Verlag.

 

Mantel, C., Aepli, M., Büzberger, M., Dober, H., Hubli, J., Krummenacher, J., Müller, A., & Puškarić, J. (2019). Auf den zweiten Blick. Eine Sammlung von Fällen aus dem Schulalltag zum Umgang mit migrationsbezogener Vielfalt. Bern: hep Verlag.

 

Kontakt

Jeannine Burri
Schulentwicklerin, Schule Walchwil
Mail schicken

Miriam Aegerter
Dozentin, PH Zug
Mail schicken
 

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