Für den Austausch zwischen Müttern, Vätern, Lehrpersonen und Schulleitenden sind gute Deutschkenntnisse von Vorteil. Deutschkurse für Eltern versuchen eine Brücke zu schlagen zwischen Elternhaus und Schule und sind auch dienlich für den beruflichen und persönlichen Alltag.
Text: Miriam Aegerter
Empfohlen für Zyklus 1, 2 und 3
Die Idee ist, dass eine Stadt, eine Gemeinde oder ein Quartier regelmässig Deutschkurse für mehrsprachige Eltern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch, anbietet. Denn so viel ist klar: Mit Deutschkenntnissen geht Vieles im Alltag einfacher, beispielsweise der Austausch mit Lehrpersonen und anderen Eltern, das Verstehen der Hausaufgaben der Kinder oder der Besuch beim Kinderarzt.
Gemäss Ziona Schulthess, die in einem Schulhaus in Basel-Stadt seit Jahren solche Deutschkurse unterrichtet, war die ursprüngliche Idee des Angebotes, dass insbesondere Mütter mit geringen Deutschkenntnissen erreicht werden, die sich hauptverantwortlich um die Erziehung ihrer Kinder kümmern. Dank den Deutschkursen können sie andere Mütter treffen und sich austauschen, das Schweizer Schulsystem verstehen, kommen besser zurecht bei Elterngesprächen, können am Elternabend etwas sagen, verstehen ihr Kind wenn es Deutsch spricht etc.
«Jeden Montagmorgen freue ich mich auf die Begegnung mit den Teilnehmenden des Deutschkurses – und das seit vielen Jahren. Während der Corona-Zeit haben wir die Lektionen via Zoom gemacht und aktuell treffen wir uns auch mal draussen im Park.»
Z. Schulthess, Lehrperson
In den Kursen lernen Mütter und Väter sich besser in der deutschen Sprache zu verständigen und «viele kleine Gespräche und Hinweise machen ihnen bewusst, welch wichtige Rolle sie für die Schullaufbahn ihrer Kinder spielen und wie sie die Kinder unterstützen können» (1).
Die Kursleitenden sind (oder waren) hauptberuflich Lehrpersonen der Volksschule und können so ihr Wissen und ihre Erfahrungen in den Unterricht einfliessen lassen. Sie kennen die Anforderungen der Schule und thematisieren im Deutschkurs regelmässig Aktualitäten rund um Schule und Erziehung. Themen wie Hausaufgaben, Elternabend, Elterngespräch und Elternmitwirkung, gesunde Ernährung, Umgang mit Medien, Ausflüge und Schullager oder das schweizerische Bildungssystem werden besprochen und der entsprechende Wortschatz dazu erworben.
Der Unterricht findet in Kindergärten und Schulen statt, idealerweise dort, wo das eigene Kind oder die eigenen Kinder zur Schule gehen. Die Kursteilnehmenden lernen so das Schulumfeld und andere Eltern kennen. Sie können Kontakte knüpfen, sich austauschen und das Gelernte auch gleich praktisch anwenden. Durch die institutionelle Verankerung und die direkte Zusammenarbeit mit den beteiligten Kindergärten und Schulen entsteht eine Vernetzung von Schule und Familie. Schulleitungen und Lehrpersonen der öffentlichen Schule werden, durch die sich erweiternden Kommunikations- und Kontaktmöglichkeiten, entlastet und so entsteht im Idealfall eine Win-Win Situation.
Wichtig ist, dass die Eltern niederschwellig Zugang zu den Kursen erhalten. Finden diese im Quartier oder gar im Schulhaus oder Kindergarten der eigenen Kinder statt, werden sie häufiger besucht. An offiziellen Informationsveranstaltungen der Schule wird auf das Angebot hingewiesen. Zudem weisen Lehrpersonen, die den Eltern bekannt sind, mit Flyern (siehe unten) und/oder Infoblättern (siehe unten), die in gut verständlichem Deutsch verfasst sind, auf die Kurse hin. Wichtig ist, dass Eltern das Angebot freiwillig und aufgrund dessen Attraktivität wählen. Sie sollen nicht von der Schule zugewiesen werden, denn dies kann zu einem Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit führen.
Gemäss Silvia Bollhalder, Leiterin des Angebots «Ich lerne Deutsch fürs Kind», ist das Commitment der Schule eine wesentliche Gelingensbedingung. Die Schulbehörden, die Schulleitung und Lehrpersonen müssen das Angebot wünschen und es mittragen (z.B. Werbung machen, Schulräume zur Verfügung stellen). Das Angebot der Deutschkurse wird damit zu einem festen Bestandteil des Schulangebots.
„Ich glaube, das Wichtigste ist, dass die Kurse von Lehrpersonen unterrichtet werden, die Freude daran haben“, betont Ziona Schulthess. Im Beispiel von Basel-Stadt sind es qualifizierte (oftmals selbst mehrsprachige) Personen aus dem Lehrkollegium, die für die Organisation und Durchführung der Kurse eingesetzt werden. Silvia Bollhalder erwähnt, dass sie die Kursleitenden immer mit grossem Engagement erlebt und diese häufig berichten, dass das Unterrichten der Deutschkurse für sie ein „Job-enrichment“ sei. Einmal pro Quartal werden die Kursleitenden von der Angebotsleitung zu einem Austausch eingeladen, bei welchem im ersten Teil Administratives besprochen wird und im zweiten Teil ein gemeinsam bestimmtes pädagogisches Thema im Fokus ist (aktuell beispielsweise der Online-Unterricht).
Eine Begegnung auf Augenhöhe zwischen den Teilnehmenden und den Lehrpersonen ist zentral. Eine Fokussierung auf die vorhandenen Sprachressourcen (und nicht auf das Defizit der geringen Deutschkenntnisse) ist wünschenswert. Zudem ist es wichtig, dass reflektiert wird, was zu gewissen Themen (z.B. Medienumgang oder gesunder Ernährung) vermittelt wird. So ist es der gemeinsame Austausch über Themen, die beschäftigen, welcher im Vordergrund ist und der Austausch zu möglichen Lösungen (und nicht das Vermitteln von vermeintlich „richtigen“ Wertvorstellungen).
Die Bedürfnisse der Kursteilnehmenden haben gezeigt, dass es sich lohnt, Niveaukurse anzubieten. So werden beispielsweise in Basel-Stadt im Rahmen des Angebots «Ich lerne Deutsch fürs Kind» vier verschiedene GER-Niveaus (von A1 bis C1) angeboten. Die Kurse bereiten die Teilnehmenden teilweise auf anerkannte Sprachprüfungen vor, die ihnen dann auch im Beruf dienen oder für die Einbürgerung erforderlich sind.
Dass passende Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, ist wesentlich für das Gelingen dieser Deutschkurse. Es ist wichtig, dass Räume benutzt werden können, die eine angenehme Lernatmosphäre ermöglichen. So ist darauf zu achten, dass es keine multifunktionalen Räume sind, in denen das Material jedes Mal aufwändig verstaut werden muss, sondern das Zimmer genutzt werden können, wo auch mal ein Plakat hängen gelassen werden kann. Ideal ist ein Raum, wo keine zu grosse Ablenkung herrscht (beispielsweise keine Korridore oder Foyers) und angenehm gelernt werden kann.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Kurse oftmals noch besser besucht werden, wenn auch eine Kinderbetreuung für kleinere und noch nicht schulpflichtige Kinder (auch Babys) organisiert wird. Diese werden während der Unterrichtszeit der Eltern in einem separaten Raum betreut und ebenfalls sprachlich gefördert. Die Betreuung kann beispielsweise durch die Betreuungspersonen der Tagesstruktur übernommen werden.
Die Kurszeiten sind möglichst passend zu setzen. Ein Zeitfenster von zwei Stunden am Vormittag (z.B. 9-11 Uhr) oder am Nachmittag (14-16 Uhr) hat sich – insbesondere für Mütter – bewährt. Zudem ist es sinnvoll, wenn der Eintritt in einen Kurs jederzeit möglich ist. Es wird ein Schnupperangebot gemacht (ein- oder zwei Mal darf ein Kurs gratis und ohne Verpflichtung besucht werden).
Die Sprachkurse müssen für die Teilnehmenden finanziell erschwinglich sein. Idealerweise werden die Kurse vom Kanton, der Stadt oder der Gemeinde subventioniert. Im Falle von «Ich lerne Deutsch fürs Kind» steht der Kanton dahinter, denn er sieht im Angebot grosse Vorteile. «Beim Kanton denkt man bereits, dass das Angebot ein Selbstläufer sei. Die Weiterführung nach meiner Pensionierung sehe ich daher als nachhaltig gesichert, was mich natürlich sehr freut», sagt Silvia Bollhalder.
(1) Vgl. Flyer «Ich lerne Deutsch fürs Kind», 2021, S. 2.
«Ich lerne Deutsch fürs Kind» (Basel-Stadt)
www.edubs.ch
Deutsch für Eltern – mein Kind und die Schule (Zürich)
Silvia Bollhalder
Leiterin des Angebots «Ich lerne Deutsch fürs Kind», Basel-Stadt
Ziona Schulthess
Lehrerin Deutschkurse an der Primarschule Insel, Basel-Stadt
Mail schicken
Miriam Aegerter
Dozentin, PH Zug
Mail schicken