Was trägt aus Sicht der Schulleitung zu einer Schulkultur bei, die es ermöglicht, dass sich alle zugehörig fühlen und gut lernen und arbeiten können? Ein Schulleiter erläutert im Gespräch viele verschiedene und wichtige Aspekte.
Text und Interview:
Dominique Braun
Roger Stiel ist seit 15 Jahren Schulleiter im Zyklus 3 in Spreitenbach. Davor war er viele Jahre selbst als Lehrer tätig. Im Kanton Aargau ist der Zyklus 3 in drei Niveaus gegliedert. Das höchste Anforderungsprofil hat die Bezirksschule (kurz «Bez» genannt), das mittlere die Sekundarschule und das tiefste die Realschule. Roger Stiel ist mit seiner Kollegin und seinem Kollegen für alle drei Abteilungen zuständig.
Im Gespräch kommt zum Ausdruck, dass die Schulleitung nebst dem Fokus auf die Schülerinnen und Schüler vor allem auch stark darauf achtet, wie und womit sie die Lehrpersonen im Schulalltag unterstützen kann.
Es handelt sich dabei um viele Dinge, die auch auf der Primarstufe zu einer guten Schulkultur beitragen können.
Der Schulleiter nennt zu Beginn des Gesprächs verschiedene Aspekte, die aus seiner Sicht wichtig sind für eine gelungene Schulkultur[1]:
Audioclip «Verschiedene Aspekte» (ca. 3.30)
Neben dem Beziehungsnetz innerhalb des Teams sind auch die Beziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern sowie zwischen den Jugendlichen und den Lehrpersonen von Bedeutung. Dazu gehört u.a. der respektvolle Umgang. Dieser beinhaltet auch, dass das Lernen an der Schule ernst genommen wird.
Neben den Beziehungen und dem Umgang miteinander ist für den Schulleiter auf Systemebene die Verlässlichkeit zentral:
Audioclip «verlässliches System» (ca. 1.00)
Die geringe Fluktuation trägt ebenfalls zur Stabilität an der Schule bei. Wie dies erreicht wird, erläutert der Schulleiter später im Gespräch. An dieser Stelle führt er aus, dass die geringe Fluktuation bedeutet, dass das Team viel Erfahrung hat und eine qualitativ sehr hochstehende Arbeit leistet:
Audioclip «Team und hohe Qualität (ca. 0.40)
Eine weitere Besonderheit in Spreitenbach, die in Zusammenhang mit der Schulkultur steht, ist der Schulcampus mit mehreren Schulhäusern. Die verschiedenen Niveaus (Stufen) sind innerhalb der Häuser gemischt:
Audioclip «Campus» (ca. 2.00 Min.)
Die gute Schulkultur an der Schule, zeigt sich insbesondere im freundlichen Umgang miteinander. Da könne die Oberstufe von der Primarschule profitieren.
Audioclip «Freundlichkeit in der Primarschule» (ca. 1.10 Min.)
Im Kontext von Migration und sozialen Ungleichheiten gibt es noch spezifische Aspekte, die der Schulleiter in Bezug auf die Schulkultur als wichtig erachtet, z.B. positive Vorbilder zu haben:
Audioclip «Vorbilder» (ca. 50 Sek.)
Der Schulleiter meint, dass die Vielfalt unter den Schülerinnen und Schülern so gross sei, dass es an der Schule kein Thema sei, wer einen Migrationsbezug habe und wer nicht. Auf die Frage, was passiere, wenn es dennoch zu Diskriminierungen oder zu Rassismus komme, antwortet er, dass dies auf keinen Fall geduldet werden dürfe:
Audioclip «Rassismus und Nulltoleranz» (ca. 1.20 Min.)
Roger Stiel sieht seine Rolle den Schülerinnen und Schülern gegenüber u.a. auch ganz allgemein darin, dass er klare Grenzen setzt und ihnen diese bei Bedarf direkt kommuniziert. Im geschilderten Beispiel hatten sich die Schülerinnen und Schüler beim Schulsozialarbeiter sehr negativ über eine Lehrperson geäussert. Der Schulleiter erschien in der Klasse und sprach mit den Schülerinnen und Schülern Klartext:
Audioclip «Grenzen setzen» (1.30)
In Bezug auf sein Team übernimmt der Schulleiter die Rolle, den Lehrpersonen in schwierigen Situationen Mut zu machen. Zudem verschafft er ihnen Freiräume, damit sie ihre Ideen umsetzen können:
Weiter sei es wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren und dies dem Team zu vermitteln:
Audioclip «Grenzen erkennen» (ca. 2.45)
Der Schulleiter betont, dass auch ein stabiles Schulleitungs-Team wichtig sei. Deshalb baut er seine Nachfolge bereits ein paar Jahre vor der eigenen Pensionierung sorgfältig auf. Er hat eine Lehrperson dafür motiviert, einzelne Schulleitungsaufgaben zu übernehmen. Dieser Lehrer kann auf diese Weise langsam in die Rolle des Schulleiters hineinwachsen und mit der Zeit mehr Aufgaben übernehmen. Auch bringe er eine neue Sicht ins Schulleitungsteam, weil er als Lehrer zusätzliche und teilweise andere Erfahrungen mache als die Schulleitenden.
Eine stabile Schulleitung hilft auch, die Fluktuation im Team zu verringern. Die geringe Fluktuation habe auch mit dem Stolz der Lehrpersonen zu tun, in Spreitenbach zu arbeiten. Wenn man das erzähle, werde man immer wieder gefragt: «Wie machst du denn das?» Denn Spreitenbach habe schon einen besonderen Ruf. Es gibt aber auch Möglichkeiten, wie die Schulleitung direkt Einfluss auf die Fluktuation im Team nehmen kann:
Im Laufe der Zeit hat die Schule viele Massnahmen entwickelt, die die Lehrpersonen im Alltag unterstützen:
Die Schule kann auch auf vielseitige Kompetenzen im Team im Sinne von Spezialisierungen zurückgreifen, z.B. im Bereich Coaching, Tanzen oder der Jugendpsychiatrie. Entscheidend sei, in den herausfordernden Situationen darauf zurückzugreifen. Auch hier kommt nochmals zum Ausdruck, was es bedeutet, als Lehrperson in ein Netz von Beziehungen eingebettet zu sein und auf die Unterstützung der Schulleitung zählen zu können.
Audioclip «Ressourcen Team» (ca. 0.45)
[1] Unter einer gelungenen Schulkultur verstehen wir eine Kultur, in der alle Anerkennung erfahren, sich zugehörig fühlen, Gleichstellung erleben sowie erfolgreich lernen und arbeiten können.
Ein weiteres Interview mit Roger Stiel im Zusammenhang mit seiner Arbeit in der Geschäftsstelle von Allianz Chance+: https://chanceplus.ch/interview-roger-stiel/
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Dominique Braun
Dozentin, PH Zug
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